Dank Warren Buffetts großzügiger Überweisung verfügen Bill und Melissa Gates jetzt über 60 Milliarden Dollar. Damit beeinflussen sie die medizinische Forschung stärker als jede andere private Stiftung. Vielleicht zu stark
Es war für Warren Buffett eine kurze Handbewegung mit dem Füllfederhalter. Anfang der Woche setzte der legendäre Finanzinvestor in der New Yorker Bücherei seine Unterschrift unter ein Schreiben, und die Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates und dessen Frau Melinda war um 31 Milliarden Dollar reicher. Warren drückte das Schreiben seinem Freund Bill in die Hand, und der reichte es weiter an seine Frau. "Am besten nicht verlieren", empfahl er ihr.
Gates machte die Annahme der größten privaten Spende aller Zeiten ebensoviel Spaß wie dem 75jährigen Buffett deren Herausgabe. Sechs weitere Milliarden Dollar vermachte der Mann aus Omaha (Nebraska) nebenbei den vier Stiftungen der eigenen Familie. Zum Leben bleiben ihm rund sieben Milliarden Dollar übrig.
Der Geldsegen aus Händen des zweitreichsten Mannes der Welt verdoppelt das Stiftungskapital Bill & Melinda Gates Foundation (BMG) auf 60 Milliarden Dollar. Damit ist die bereits zuvor größte Stiftung der Welt sechsmal so groß wie die amerikanische Nummer zwei, die Ford Foundation. 60 Milliarden Dollar - das ist genug, um jedem Menschen über neun Dollar in die Hand zu drücken. Es reicht auch, um BMW und Volkswagen zu kaufen - und Ford gleich mit.
Doch die Gates-Stiftung macht eine andere Tür auf: Sie kann zur rechten Hand der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden und sie mit ihren Milliarden da unterstützen, wo die nicht weiterkommt. Die etwa 8000 Angestellten arbeiten für einen Verwaltungsapparat, der hauptsächlich Krankheiten dokumentiert und auf deren Folgen hinweist. "Die WHO hat nie viel Geld in Dinge gesteckt", meint Anthony Fauci vom Nationalen Institut für Allergien und Infektionskrankheiten in Bethesda (Maryland). "Ihre Aufgabe ist die Koordination, was aber auch wichtig ist."
Die schlanke Gates-Stiftung mit derzeit etwa 250 Mitarbeitern wird auf der Arbeit der WHO aufbauen können, um die Todesraten in Entwicklungsländern zu senken. "Wie Bill und Melinda pro ausgegebenen Dollar das Leben von Leuten auf der ganzen Welt beeinflussen, ist phantastisch", sagt Buffett.
Bereits 2009 wird die Stiftung aus Seattle über drei Milliarden Dollar pro Jahr ausgeben, mehr als doppelt soviel wie vor Buffetts Gabe. Mehr als die Hälfte davon - und damit in etwa soviel wie der Jahresetat der WHO - dürfte in die Bekämpfung globaler Seuchen wie Aids, Malaria und Tuberkulose fließen. Den Rest investiert die Stiftung seit Gründung vor sechs Jahren in Bildungsprojekte in den USA. "Wir wollen die Arbeit der Stiftung vertiefen und nicht in die Breite gehen", sagt Melinda Gates.
Die Milliarden zu vergeben ist jedoch auch eine Last. "Wenn ich mit meinem eigenen Geld Fehler mache, ist das nicht so schlimm, wie wenn ich einen Fehler mit Warrens Geld mache", meint Bill Gates, der über die vergangenen Jahre selbst beinahe 30 Milliarden Dollar in die Stiftung gesteckt hat. "Wir müssen sicherstellen, daß das Geld gut eingesetzt wird." Bislang verfolgt die Gates-Stiftung einen unternehmerischen Ansatz, der Buffett imponiert hat. Die Stiftung hat immer mehrere Eisen im Feuer. So kann sie Mißgeschicke verdauen. "Ein gelegentlicher Erfolg wird alle Fehler überstrahlen", sagt Buffett.
Anders als andere Stiftungen leitet die BMG kaum Projekte selber. Sie bewertet eingehende Anträge auf Unterstützung mit Hilfe externer Berater. Über die Geldvergabe entscheiden dann Bill und Melinda Gates persönlich. Die Globale Allianz zur Entwicklung von Tuberkulose-Medikamenten (TB Alliance) legte eine fünf Zentimeter dicke Antragsschrift vor, um an über 100 Millionen Dollar zu kommen. Fünf anonyme Experten nahmen für die Stiftung die Anfrage unter die Lupe. "Auch nach der Genehmigung schaut uns die Gates-Stiftung genau auf die Finger", sagt Nina Schwalbe, die im Vorstand der New Yorker TB Alliance Verbindungen zu Regierungen pflegt. Bestimmte Zahlungen gibt es etwa nur, wenn vereinbarte Ziele erreicht werden.
"Auf einer Skala von Eins bis Zehn gebe ich der Bedeutung der Gates-Stiftung für die Entwicklung neuer Medikamente gegen Krankheiten wie Tuberkulose eine Zehn", sagt Schwalbe. "Die moderne Wissenschaft hat die Forschung links liegen lassen. Denn es gibt in den Industrieländern einfach keinen Markt für neue Tuberkulose-Medikamente." Jährlich sterben zwar fast 1,7 Millionen Menschen an Tuberkulose, doch fast alle in unterentwickelten Regionen.
"Warren Buffett hat erkannt, daß die Gates-Stiftung eine der wenigen Stiftungen ist, die wirklich auf das Ergebnis ihrer Arbeit fokussiert ist", sagt Ian MacMillan, Wirtschaftsprofessor an der Wharton School der Universität von Pennsylvania. Buffett wird daher für seine Entscheidung umjubelt. Er werde zum Vorbild für andere Reiche, so der Tenor. Anders erging es CNN-Gründer Ted Turner im Jahr 1997. Er hatte eine Milliarde Dollar den Vereinten Nationen gestiftet und wurde von etlichen seiner Landsleute kritisiert, die in den UN eine ineffiziente Veranstaltung sehen.
"Private Organisationen können einfach besser auf gemachte Fehler reagieren", meint Buffett. Fehler sind den Gates' bereits unterlaufen. So wollen sie an High Schools die Zahl der Schulabbrecher durch die Verkleinerung der Schulen erreichen. Doch während das in New York erfolgreich klappt, war derselbe Versuch an einer Schule in Denver kläglich gescheitert.
Das Versagen in manchen Fällen kann das Vertrauen in die Stiftung in der Regel jedoch nicht erschüttern. "Es gibt in den USA einen stillschweigenden Konsens: Die Arbeit von gemeinnützigen Organisation kann nicht hoch genug geschätzt werden", meint Professor Paul Schervish, Direktor des Zentrums für Vermögen und Philanthropie am Boston College.
Doch es gibt auch Kritiker der Riesenstiftung. "Ich frage mich, ob die Gates-Stiftung mit ihren Gesundheitsprojekten nicht mehr die Symptome als die Ursachen der Ungerechtigkeit in der Welt bekämpft", sagt die New Yorker Autorin Karen Pittelmann, die in ihrem Buch "Classified" Menschen mit Reichtum Tips gibt, wie man sein Vermögen stiften kann.
Das Elend beginne oft mit der Verteilung der Macht in Entwicklungsländern und der dort vorherrschenden Korruption, meint Pittelman. "Was mich aber am meisten stört, ist, daß die Superreichen weiter die Kontrolle über den Einsatz ihres Geldes haben." Sie selbst erbte drei Millionen Dollar und überschrieb sie einer von Frauen mit niedrigen Einkommen geleiteten Stiftung in Boston. Die Kontrolle über das Vermögen hat sie komplett an andere abgegeben.
Diana Aviv ist aus anderem Grund über die Größe der Gates-Stiftung besorgt. "Es könnte sein, daß der Gesetzgeber diese reichen Stifter sieht und sagt: ,Löst ihr die Probleme, nicht wir"", meint die Chefin von Independent Sector, einem Verband gemeinnütziger Organisationen. Das wäre besonders tragisch, da Einrichtungen wie die TB Alliance mindestens zehn Prozent ihrer Gelder aus öffentlichen Töpfen erhalten müssen, um den Gemeinnützigkeitsstatus aufrechterhalten zu können.
Die Größe der Gates-Stiftung macht sie zwar für Korruption und Betrug anfällig. "Die Gefahr besteht überall, wo mit solchen großen Summen umgegangen wird", so Professor Schervish. Doch bei den Gates glaubt er nicht, daß das zum Problem werden könnte. Melinda Gates "ist anderen Stiftungsmanagern einfach um Längen voraus", schwärmt der Forscher.